Übersicht aller Themen B. Hiekisch, S13/1
LPE15:
Die personenzentrierte Theorie
Der personenzentrierte Ansatz ist eine von Carl Rogers begründete Theorie, die der humanistischen Psychologie zuzurechnen ist. Sie ist damit ideologisch und praktisch in vielerlei Hinsicht gegensätzlich zu Behaviorismus und Psychoanalyse.
Übersicht:
Humanistische Psychologie
Die humanistische Psychologie geht von einigen Grundannahmen aus. Demnach sei der Mensch mehr als die Summe seiner Teile, er kann nicht lediglich aufgrund wissenschaftlich beobachtbarer Befunde erfasst werden. Ebenso hat der Mensch ein Dasein im menschlichen Kontext, die zwischenmenschliche Erfahrung ist für sein Verständnis elementar. Der Mensch lebt bewusst und kann seine Wahrnehmung schärfen, er ist kontinuierlich vielschichtig selbstbewusst. Ebenso kann der Mensch wählen und entscheiden, er ist aktiv und schafft seine eigenen Erfahrungen. Zudem lebt er zielgerichtet, der Mensch ist zukunftsorientiert, hat Zweck und Sinn.
Grundannahmen des personenzentrierten Ansatzes
Nach Rogers besteht das grundsätzliche Motiv menschlichen Verhaltens in seiner Aktualisierungstendenz, also im angeborenen und beständigen Streben des Menschen, seine Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten, zu entfalten und zu verwirklichen sowie Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu erlangen. Dazu gesellt sich der organismische Bewertungsprozess, der Prozess des Organismus, Erfahrungen aufzunehmen und dahingehend zu bewerten, inwieweit sie das Streben nach Selbstverwirklichung fördern bzw. einschränken.
Das Selbstkonzept
Das Selbstkonzept bezeichnet bei Rogers die Gesamtheit aller Wahrnehmungen, Meinungen und Urteilsbildungen über sich selbst und die eigene Umwelt. Dabei unterscheidet Rogers zwischen Realselbst, also dem tatsächlichen Bild einer Person über das, was sie ist und kann, und dem Idealselbst, dem Bild einer Person über das, was sie gern sein möchte und wie andere sie haben wollen.
Das Selbstkonzept kann nach Rogers auf einer Skala von flexibel bis starr sein. Ein flexibles Selbstkonzept ermöglicht dem Individuum, neue Erfahrungen in das Selbstkonzept zu integrieren. Dies ist bei einem starren Selbstkonzept nicht möglich. Wenn das Individuum also mit Erfahrungen konfrontiert wird, die im Konflikt mit dem Selbstkonzept stehen, kann keine Integration gelingen. Stattdessen greift das Individuum auf Abwehr zurück. Dies ist insoweit extrem relevant als das der Mensch nach Rogers ständig mit neuen Erfahrungen konfrontiert wird (=organismisches Erleben). Bezogen auf das organismische Erleben kann ein Selbstkonzept kongruent sein, wenn organismisches Erleben und Selbstkonzept übereinstimmen, oder aber es ist inkongruent, wenn dies nicht gegeben ist. Dabei hängt die Flexibilität des Selbstkonzeptes sehr stark mit der Selbstachtung zusammen, welche wiederum stark von der Wertschätzung der Erzieherinnen abhängt.
Abwehr und psychische Fehlentwicklungen
Wenn ein Mensch mit starrem Selbstkonzept mit einem organismischen Erleben konfrontiert wird, welches selbiges untergräbt, wenn also eine Inkongruenz entsteht, greift der Mensch auf Abwehrmechanismen zurück. Dies kann entweder eine Verleugnung sein, bei der bedrohliche Erfahrungen negiert und vom Selbstkonzept ausgeschlossen werden, oder eine Verzerrung, bei der die Bedeutung einer Erfahrung entstellt wird, sodass sie mit dem Selbstkonzept übereinstimmt. Eine seelische Fehlentwicklung entsteht nach Rogers, wenn eine aktuelle Lebenserfahrung auf ein starres Selbstkonzept sowie auf eine bestehende Inkongruenz trifft. Dies führt zu einem inneren Konflikt, welcher sich in bestimmten Symptomen äußert.
Die personenzentrierte Theorie in der Erziehung
Rogers legte, im Gegensatz zu z.B. den Behavioristen, primär Wert auf erzieherische Grundhaltungen, die jegliches Handeln bestimmen sollten. Am wichtigsten war ihm die bedingungslose Wertschätzung, also Achtung, Anerkennung und Wohlwollen, die der zu Erziehenden absolut unkonditional entgegengebracht werden müssen. Ebenso legte Rogers Wert auf Verstehen; Echtheit; fördernde, nicht dirigierende Tätigkeiten sowie die Trennung von Person und Sache.
Die klientenzentrierte Psychotherapie
Wie in der Erziehung soll auch die Therapeutin drei Grundhaltungen an den Tag legen. Sie muss Wertschätzung, Echtheit und Verstehen für die Klientin aufbringen. Dabei kommt in der Therapie die Technik des aktiven Zuhörens zum Einsatz. Die Therapeutin beteiligt sich aktiv verbal am Gesagten. Dies geschieht durch Paraphrasieren, dem Wiederholen der Aussagen der Klientin in den eigenen Worten der Therapeutin sowie durch Verbalisieren, also dem Widerspiegeln der persönlich-emotionalen Erlebenswelt der Gesprächspartnerin. Die Klientin wird hier als ebenbürtige Partnerin, nicht lediglich als Subjekt betrachtet. Das Ziel der Therapie, die Auflösung der Erstarrung der Aktualisierungstendenz, wird durch Selbstexploration, die fortschreitende Selbstwahrnehmung eigener Möglichkeiten und Verhaltensweisen erreicht.