Übersicht aller Themen B. Hiekisch, S13/1
LPE15:
Die personenzentrierte Theorie
Der personenzentrierte Ansatz ist eine von Carl Rogers begründete Theorie, die der humanistischen Psychologie zuzurechnen ist. Sie ist damit ideologisch und praktisch in vielerlei Hinsicht gegensätzlich zu Behaviorismus und Psychoanalyse.
Übersicht:
- Humanistische Psychologie
- Grundannahmen der personenzentrierten Theorie
- Das Selbstkonzept
- Abwehr und pychische Fehlentwicklungen
- Die personenzentrierte Theorie in der Erziehung
- Die klientenzentrierte Psychotherapie
- Das Menschenbild der personenzentrierten Theorie
- Kritische Würdigung der personenzentrierten Theorie
Humanistische Psychologie
Das Feld der humanistischen Psychologie geht von einigen Grundannahmen aus:
- Der Mensch ist mehr als die Summe seiner Teile, man kann ihn nicht lediglich aufgrund wissenschaftlich beobachtbarer Teilfunktionen verstehen.
- Der Mensch hat sein Dasein im menschlichen Kontext, die zwischenmenschliche Erfahrung ist elementar für das Verständnis des Menschen.
- Der Mensch lebt bewusst und kann seine Wahrnehmung schärfen, er ist kontinuierlich vielschichtig selbstbewusst.
- Der Mensch kann frei wählen und entscheiden, er ist aktiv und schafft seine eigenen Erfahrungen.
- Der Mensch lebt zielgerichtet, er ist zukunftsorientiert, hat Zweck, Werte und Sinn.
Grundannahmen der personenzentrierten Theorie
Aktualisierungstendenz:
Aktualisierungstendenz bezeichnet das grundlegende Motiv menschlichen Verhaltens und ist das angeborene und beständige Streben des Menschen, seine Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten, zu entfalten und zu verwirklichen sowie Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu erlangen.
Organismischer Bewertungsprozess:
Der Prozess des Organismus, Erfahrungen aufzunehmen und dahingehend zu bewerten, inwieweit sie das Streben nach Selbstverwirklichung fördern bzw. einschränken.
Das Selbstkonzept
Selbstkonzept:
Die durch Erfahrung zustande gekommene Gesamtheit aller Wahrnehmungen, Meinungen, Urteilsbildungen und Bewertungen des Individuums über sich selbst und seine Umwelt.
Realselbst:
Das tatsächliche Bild einer Person über das, was sie ist und kann.
Idealselbst:
Das Bild einer Person über das, wie sie gern sein möchte und wie andere sie haben wollen.
Flexibles Selbstkonzept:
Das Individuum ist in der Lage, neue Erfahrungen zu integrieren.
Starres Selbstkonzept:
Das Individuum ist nicht in der Lage, neue Erfahrungen zu integrieren.
- Es setzt Abwehrmechanismen ein, wenn es mit Erfahrungen konfrontiert wird, die im Konflikt zum Selbstkonzept stehen/Das Selbstkonzept bedrohen.
Nach Rogers wird der Mensch konstant mit neuen Erfahrungen konfrontiert (=“organismisches Erleben“).
Ob ein Selbstkonzept starr oder flexibel ist, hängt dabei sehr stark mit der Selbstachtung zusammen. Dafür spielt die Wertschätzung von Erzieherinnen eine entscheidende Rolle.
Selbstachtung ist die gefühlsmäßig wertende Einstellung einer Person zu sich selbst und die Wertschätzung, die eine Person für sich selbst empfindet.
Das Selbstkonzept kann dabei kongruent sein, wenn es mit dem organismischen Erleben übereinstimmt, oder inkongruent, wenn dies nicht der Fall ist.
Wertschätzung > hohe Selbstachtung > flexibles Selbstkonzept
Geringschätzung > geringe Selbstachtung > starres Selbstkonzept > Abwehr
Abwehr und pychische Fehlentwicklungen
Wenn ein Mensch mit starrem Selbstkonzept mit einem organismischen Erleben konfrontiert wird, das selbiges untergräbt, wenn also eine Inkongruenz entsteht, greift der Mensch auf Abwehrmechanismen zurück:
Verleugnung:
Bedrohliche Erfahrungen werden negiert und vom Selbstkonzept ausgeschlossen.
Verzerrung:
Die Bedeutung der Erfahrung wird verändert und entstellt, dass sie mit dem Selbstkonzept übereinstimmt.
Eine seelische Fehlentwicklung entsteht nach Rogers, wenn eine aktuelle Lebenserfahrung auf ein starres Selbstkonzept und eine bestehende Inkongruenz trifft. Dies führt zu einem inneren Konflikt, welcher sich in bestimmten Symptomen äußert.
Die personenzentrierte Theorie in der Erziehung
Rogers legte, im Gegensatz zu den Behavioristen, primär Wert auf erzieherische Grundhaltungen, die jegliches Handeln bestimmen sollten.
Am wichtigsten sei die bedingungslose Wertschätzung:
Bedingungslose Wertschätzung besteht darin, dass Achtung, Anerkennung und Wohlwollen nicht mit Bedingungen verknüpft oder davon abhängig gemacht werden.
Förderliche Haltungen in der Erziehung:
- Wertschätzung
- Verstehen
- Echtheit
- Fördernde, nicht dirigierende Tätigkeiten
- Trennung von Person und Sache
Die klientenzentrierte Psychotherapie
Haltungen der Therapeutin:
- Wertschätzung
- Echtheit
- Verstehen
Verfahren:
Aktives Zuhören: Die Therapeutin beteiligt sich aktiv verbal
- Paraphrasieren: Die Wiederholung der Aussagen der Klientin in den eigenen Worten der Therapeutin
- Verbalisieren: Widerspiegeln der persönlich emotionalen Erlebniswelt der Gesprächspartnerin
Selbstexploration: Die fortschreitende Selbstwahrnehmung eigener Möglichkeiten und Verhaltensweisen
Das Menschenbild der personenzentrierten Theorie
- Humanistisches Menschenbild
- Der Mensch ist im Kern „gut“, er strebt nach Selbstbestimmung
- Man muss ihm ermöglichen „sich selbst zu finden“
- Erziehung ohne Achtung kann das Destruktive im Menschen befördern
- Der Mensch ist ein proaktives Wesen und kann sein Verhalten bewusst steuern
- Der Mensch wird als Ganzheit betrachtet
Kritische Würdigung der personenzentrierten Theorie
- Humanistische/religiöse Prämisse
- Sie kann menschliches Verhalten nur begrenzt erklären, es geht ihr nur um emotionale und motivationale Vorgänge
- Der „organismische Berwertungsprozess“ ist nicht wissenschaftlich tragbar
- Der Mensch sei im Kern „gut“
- Die Begriffe der Theorie sind unspezifisch und unscharf und daher schwer wissenschaftlich anwendbar