Übersicht aller Themen B. Hiekisch, S13/1
LPE13:
Soziale Kommunikation und Interaktion
Allein aufgrund seiner Omnipräsenz in jeglichem gesellschaftlichen Kontext ist Kommunikation eine der primären Interessen der Psychologie. Dementsprechend gibt es auch verschiedene Kommunikations- und Interaktionsmodelle.
Übersicht:
Soziale Kommunikation und Interaktion
Soziale Kommunikation bezeichnet den Austausch von Informationen von zwei oder mehr Menschen. Soziale Interaktion bezeichnet, weiter gefasst, das aufeinander bezogene Verhalten mehrerer Menschen. Dabei unterscheidet man zwischen drei Arten der Kommunikation: Die verbale Kommunikation, also der tatsächlich zu vermittelnde Inhalt, die nonverbale Kommunikation, die begleitende Körpersprache und die paraverbale Kommunikation, also die Art und Weise, wie etwas gesagt wird (Tonlage, Sprechtempo, etc.).
Der Wechselkreis der Kommunikation
Der Wechselkreis der Kommunikation beginnt mit einer Senderin, welche eine Absicht verfolgt. Diese Absicht wird kodiert, also in entsprechende und gewählte Formen der verbalen, nonverbalen und paraverbalen Kommunikation transferiert und übermittelt. Beim Übermittlungsprozess gibt es ein Mittel, also die Sprache, die Schrift, etc.; einen Kanal, z.B. den auditiven oder visuellen Kanal; und ein Medium, über das die Kommunikation erfolgt, also bspw. einen Brief oder das Telefon. Weiter wird die Botschaft von der Empfängerin dekodiert sie versucht aus den Übermittelten Informationen Rückschlüsse auf die Absicht der Senderin zu schließen, woraufhin der Wechselkreis beginnt: Die ursprüngliche Empfängerin wird automatisch zur neuen Senderin und übermittelt zwangsläufig eine Botschaft zurück. Wenn dieser Zyklus gelingt und die Absicht der Senderin richtig von der Senderin dekodiert wird und die gewünschte Absicht erfüllt, findet erfolgreiche Kommunikation statt. Falls dies nicht gelingt, können individuelle und soziale Probleme entstehen.
Besondere Störungen der Kommunikation
Bei der Kommunikation können zwei besondere Störungsformen auftreten: Die Paradoxie und die Doppelbindung. Eine Paradoxie liegt vor, wenn eine Aufforderung nicht befolgt werden darf, um befolgt zu werden (z.B. Sei glücklich!). Eine Doppelbindung liegt vor, wenn sich die Senderin in einer oder mehreren übermittelten Aussagen selbst widerspricht, bzw. gegenläufig inkongruente Informationen übermittelt.
Die Axiome der Kommunikation nach Paul Watzlawick
Paul Watzlawick stellte einige Axiome der Kommunikation auf. Das Erste: „In einer sozialen Situation kann man nicht nicht kommunizieren.“ Sobald sich mehrere Personen in einer sozialen Situation befinden, ist Kommunikation unumgänglich. Wer glaubt, in einer sozialen Situation nicht kommunizieren zu können, ruft dabei Störungen in der Kommunikation hervor.
Das Zweite: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt derart, dass letzterer ersteren bestimmt.“ Der Inhaltsaspekt stellt das WAS einer Kommunikation dar, der Beziehungsaspekt sagt drüber etwas aus, wie die Senderin diese Mitteilung von der Empfängerin verstanden haben möchte. Kommunikation ist immer auch Ausdruck einer bestehenden Beziehung. Wenn sich die Kommunikationspartnerinnen nicht einig über Beziehung oder Inhalt und Beziehung sind, oder wenn die Ebenen verwechselt oder vernachlässigt werden, kann es zu gestörter Kommunikation kommen.
Das Dritte: „In einem Kommunikationsablauf ist das Verhalten des Einzelnen sowohl Reiz als auch Reaktion auf das Verhalten der anderen.“ In einer sozialen Situation löst das Verhalten einer Einzelnen eine bestimmte Reaktion bei der/den anderen aus. Diese Reaktion ist aber zugleich wieder Ursache für das Verhalten der Einzelnen, sie kann dieses Verhalten gar verstärken. Hierbei spricht Watzlawick von der Interpunktion: die Interpretation vorangegangener Verhaltensweisen als Ursache für die Art der eigenen Kommunikation. Falls Gesprächspartnerinnen unterschiedlich interpunktieren und auf ihrer Interpunktion beharren ist gestörte Kommunikation sehr wahrscheinlich. Eine weitere Störung findet sich demnach, wenn das Verhalten der anderen als Rechtfertigung für das eigenen betrachtet wird. Andersherum ist jedoch das Ausüben von Zwang oder Druck eine gestörte Kommunikation, da eine rechtfertigende Interpunktion geradezu erzwungen wird. Eine besondere Störung ist hier die selbsterfüllende Prophezeiung: Hier wird eine Behauptung angebracht, die über eine andere Person getroffen werden, meist nicht der Wahrheit entsprechen aber die Auftretenswahrscheinlichkeit des vorgeworfenen Verhaltens erhöht.
Das Vierte: „Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.“ Digitale Modalitäten bezeichnen Worte, die Objekten zugeordnet sind, analoge Modalitäten sind hingegen Ausdrucksverhalten und Körpersprache. Diese Modalitäten müssen für erfolgreiche Kommunikation übereinstimmen.
Das Fünfte: „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe können symmetrisch und/oder komplementär sein.“ Eine symmetrische zwischenmenschliche Beziehung basiert auf der Ebenbürtigkeit der Parteien und arbeitet zur Gleichheit hin. Eine komplementäre Beziehung basiert hingegen auf Differenzen und ist auf Ergänzung ausgerichtet. Eine gesunde Kommunikation setzt eine Dynamik dieser Beziehungen voraus. In einer Beziehung müssen beide Abläufe stattfinden. Hierbei gibt es zwei besondere Verstöße: Bei einer symmetrischen Eskalation versuchen beide Parteien, einen wahrgenommenen Gleichheitsverlust auszugleichen und überbieten sich so gegenseitig. Bei einer starren Komplementarität kommt es zu einem derart ausgeprägten Gefälle zwischen den Partnerinnen, dass ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht.
Das Kommunikationsmodell nach Friedemann Schulz von Thun
Nach Schulz von Thun hat jede übermittelte Nachricht immer vier Seiten: eine Sachinhaltsseite, eine Selbstoffenbarung, eine Beziehungsseite und einen Appell. Die Sachinhaltsseite enthält konkrete Informationen über die mitzuteilenden Dinge. Die Selbstoffenbarungsseite gibt immer Informationen über die Senderin preis, sowohl gewollte Selbstdarstellung als auch unfreiwillige Selbstenthüllung. Die Beziehungsseite klärt, in welchem Verhältnis sich die Senderin mit der Empfängerin sieht. Der Appell ist die Handlung, zu der die Kommunikation veranlassen soll.
Komplementär zu den vier Seiten spricht Schulz von Thun von vier Ohren, auf denen diese Seiten jeweils wahrgenommen werden: Auf dem Sachinhaltsohr wird geklärt, wie der Sachverhalt zu verstehen ist. Auf dem Selbstoffenbarungsohr findet ein Versuch der Einordnung der anderen Person und ihrer Bedürfnisse statt. Auf dem Beziehungsohr fragt sich die Empfängerin, wie die Senderin die Beziehung wahrnimmt und auf dem Appellohr wird interpretiert, was zu denken/zu fühlen/zu tun ist.
Kommunikation ist erfolgreich, wenn all diese Seiten erfolgreich übermittelt werden. Die Senderin muss dabei auf der richtigen Nachrichtenseite übermitteln und alle Seiten der Kommunikation beherrschen. Die komplementäre Kompetenz wird von der Empfängerin verlangt: Für erfolgreiche Kommunikation muss sie alle Seiten aufnehmen können. Dabei steht es der Empfängerin frei, auf welche Seite einer Botschaft sie reagieren soll. So können Störungen entstehen, wenn die Empfängerin eine unwesentliche Seite als zentral wahrnimmt und auf sie reagiert. Ebenfalls entstehen Störungen, wenn ein Problem z.B. der Beziehungsebene auf der Sachinhaltsebene ausgetragen wird. Wer Nachrichten lediglich unter dem Aspekt der Selbstoffenbarung betrachtet, nimmt sein Gegenüber lediglich als Analyseobjekt wahr. Wenn etwas fälschlicherweise auf die Beziehungsebene übertragen wird, wird „alles persönlich genommen“ so kann man z.B. der Sachinhaltsseite ausweichen. Wenn man wiederum lediglich auf dem Appellohr zuhört, kann man seine eigene Person nicht in die Kommunikation integrieren und büßt an Autonomie ein.
Techniken förderlicher Kommunikation
Trennung von Wahrnehmungs-, Interpretations- und Gefühlsebene
Nach Friedemann Schulz von Thun kann man den Empfang einer Nachricht in drei Vorgänge unterteilen: das Wahrnehmen, das Interpretieren und das Fühlen. Das Wahrnehmen bezieht sich auf ein objektives Faktum wie eine Aussage oder eine Bewegung. Beim Interpretieren wird dem Wahrgenommenen eine Bedeutung zugeschrieben, welche richtig oder falsch sein kann. Daraus ergibt sich das Fühlen, auf das Interpretierte wird mit einer emotionalen Regung reagiert, die sehr stark vom aktuellen (Gemüts)zustand abhängig ist. Dieses Gefühl kann weder richtig noch falsch sein, es ist eine Tatsache.
ICH-Botschaften
Eine vollständige ICH-Botschaft besteht aus drei Schritten: Erst wird das Verhalten beschrieben, ohne zu werten, dann folgt die Beschreibung, welche Gefühle dieses Verhalten auslöst woraufhin die Konsequenzen verdeutlicht und die eigenen Bedürfnisse mitgeteilt werden. Dieses Format bringt einige Vorteile mit sich. Einerseits wird man sich so seiner eigenen inneren Prozesse (Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse) bewusst. Dazu erkennt die Partnerin genau, was in einem vorgeht, was man will und was man braucht, woraufhin sie leichter angemessen reagieren kann. Zusätzlich können sich beide Kommunikationspartnerinnen Klarheit über ihre Beziehung verschaffen, ebenso werden sachliche Uneinigkeiten nicht auf selbige Beziehung übertragen.